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Erinnerungen und Erfahrungen eines Tibet Terriers (9)

Hallo liebe Freunde vom Stamm der Tibeter,

hier meldet sich wieder mal euer Tommy zu Wort, Ihr wißt schon, der mit der weißen rechten Pfote und dem weißen Brustlatz.

Weiß ist eine tolle Farbe! Weiß trifft meinen Geschmack. Das hat weniger damit zu tun, daß ich mal eine weiße Freundin hatte, obwohl die auch ganz nett war. Nein die Ursachen, warum ich Weiß so mag, liegen woanders.

In der Wohnung, die ich mit meinen Rudelführern teilen muß, stehen viele große und kleine Schränke. Die meisten davon sind braun, riechen fürchterlich und sind für mich völlig uninteressant. Auch im Keller steht noch einer, in dem Blechdosen gestapelt sind. Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, ehe ich dahinter kam, daß die Dosen mein Futter beinhalten. Herrchen und Frauchen jedoch nehmen sich Ihr Futter immer aus dem Schrank, dem meine ganze Zuneigung gilt. Der steht in der Küche, sieht weiß aus und ich kriege ihn nicht selber auf.

Er macht beim Öffnen ein ganz charakteristisches Geräusch. Eines meiner liebsten Geräusche, welches ich im festesten Schlaf und in der entferntesten Ecke noch mitbekomme. In diesem Schrank sind die herrlichsten Kostbarkeiten aufbewahrt, die sich ein Hund nur denken kann.


Dauernd sagen meine Menschen zu mir, daß der Inhalt dieses Schrankes überhaupt nichts für mich wäre, daß die Sachen nicht schmecken und daß sie dick machen. Das mag stimmen und wäre überhaupt nicht gut. Denn ich weiß, wenn ich mal zu viel gefressen habe, macht Spazierengehen gar keinen Spaß mehr. Außerdem habe ich schon andere Hunde gesehen, die so dick waren, das sie gar nicht schnell rennen konnten.

So habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auf meine Menschen aufzupassen, damit diese nicht zu dick werden. Sie könnten ja sonst nicht mehr mit mir um die Wette laufen.

Obwohl es mir einige Mühe macht, weil ich manchmal ganz gemütlich auf der Couch liege, stehe ich, immer wenn das erwähnte charakteristische Geräusch ertönt, sofort auf und sehe nach. Nicht, daß sich jemand heimlicherweise aus dem Schrank bedient.
Mein vorwurfsvoller Blick wird dann auch meistens beachtet und vor allem Herrchen macht dann die Tür schnell wieder zu.
Na gut ich gebe es zu.
Manchmal, aber nur manchmal hat er mich schon bestochen mit einem Stück aus dem Inhalt, damit ich es Frauchen nicht verrate, wenn er sich aus dem weißen Schrank etwas nimmt!

Nun versteht ihr, warum Weiß für mich eine ganz besondere Farbe ist!


Es liegt sich gut auf einem weichen Sofa. Noch besser liegt es sich, wenn man ein Kissen als Kopfstütze hat. Und richtig bequem wird es erst, wenn ein gefüllter Magen dazu kommt.

Nun wißt Ihr, wie heute meine Stimmung ist - glänzend.

Herrchen habe ich zwei Stunden Ausruhen, nach dem Gassi gehen, erlaubt.
Mehr darf man den Zweibeinern nicht zugestehen, sonst werden sie träge.
Wenn ich es mir recht überlege, habe ich meine Menschen doch recht gut erzogen. Das war aber auch ein hartes Stück Arbeit. Dabei mußte ich alle Register ziehen.

Doch nun habe ich es fast vollendet.
Und um es mal ganz deutlich zu sagen, ich bin der Meinung, daß wir Hunde erwiesenermaßen die intelligenteren Geschöpfe sind.


Ihr glaubt mir nicht?

Nun gut, dann hört mal zu!
Wenn Ihr denkt, um intelligent zu sein, muß man Zeitung lesen können, so habt ihr weit gefehlt.
Das haben wir doch gar nicht nötig. Ich gebe zwar zu, daß die Zweibeiner einige Fähigkeiten haben, auf die wir neidisch sein könnten, aber das betrifft eben nur einige.

Da fallen mir im Prinzip nur zwei ein, die Sie aber schamlos gegen uns einsetzen.
Zum einen würde ich schon meinen leckeren Knochen, den ich im Garten vergraben habe, dafür geben, um die große weiße Tür in der Küche öffnen zu können, zum Anderen bekomme ich die Dosen mit meinem Futter nicht selber auf.
Aber damit hört es auch schon auf.

Die Nachteile sind bei ihnen eindeutig in der Überzahl.
Wir sind intelligenter, weil wir die Menschensprache verstehen. Wenn die Menschen von uns etwas wollen und einen Befehl geben, dann reagieren wir auch darauf; meistens jedenfalls.
Doch habt Ihr Euer Herrchen oder Frauchen jemals richtig reagieren sehen, wenn Ihr sie anschaut oder anbellt?
Na, also. So fangen sie doch an, die Mißverständnisse.
Oder kann ein Mensch, wenn Gefahr im Verzuge ist, so schnell rennen wie wir.
Mitnichten!

Als das letzte Mal dieser große Kerl von Hector hinter mir herjagte, um mich zu besabbern, bin ich einfach davon gerannt. Nach etlichen Hakenschlagen hatte ich mir einen großen Vorsprung heraus gearbeitet, mein Gegner die Schnauze voll und er war obendrein außer Atem.
Da seht Ihr wie es ist, falls man seine Menschen nicht gut erzogen hat, denn Hector ist etwas beleibt, was nicht gerade von viel Spazierengehen zeugt.
Eine Frage der Erziehung!

Aber um es auf den Punkt zu bringen, beim Rennen sind wir die Besseren. Ich kriege Herrchen jedenfalls immer ganz leicht ein, dazu muß ich mich nicht mal besonders anstrengen.
Oder können die Zweibeiner so gut schnüffeln wie wir?
Nein. Die riechen eine Scheibe Wurst nicht auf mehrere Meter Entfernung!

Und umständlich sind die Menschen.
Um Ihre Reviere abzustecken, bauen Sie riesige Zäune und Mauern mit großem Aufwand.
Wir machen das viel einfacher und intelligenter. Uns reicht ein Baum oder ein Strauch.
Wenn Ihr darüber nachdenkt, werdet Ihr schnell feststellen, daß unsere Zweibeiner den wahren Dingen des Lebens völlig hilflos gegenüberstehen.

Sie brauchen uns ganz dringend!
Sie brauchen unseren Spürsinn, unsere Treue, unsere Wachsamkeit.
Kurzum, sie brauchen unsere Intelligenz!


Die Menschen müßten sich bloß etwas mehr anstrengen um uns besser zu begreifen.
Vielleicht ist es aber doch nicht so erstrebenswert, daß Sie uns perfekt verstehen.
Stellt Euch vor, sie wüßten immer genau, was wir wollen.
Unser Lieblingsessen, unsere Lieblingsplätze beim Spazierengehen, die Tolerierung unserer weniger guten Eigenschaften - auch wir sind nicht perfekt - und, und, und.

Das wäre doch ein einseitiges und langweiliges Leben. Wir brauchten nicht mehr zu bellen um etwas zu bekommen. Wir hätten keinen Grund mehr zum Schmollen oder zur Futterverweigerung und könnten Sie demzufolge auch nicht mehr in tiefste Besorgnis um unsere Gesundheit stürzen.

Das würde nach sich ziehen, daß Ihre Sorge um unser Wohlbefinden nachläßt und wir weniger Streicheleinheiten bekämen.
Trägheit zöge in unser Leben ein und im Grunde wären wir dann genau so, wie viele Menschen heute sind.

Nun frage ich Euch ernsthaft: Ist das wirklich erstrebenswert?
Sollen sie doch ruhig weiter glauben, daß sie intelligenter sind als wir. Wir wissen es doch besser.
Laßt uns also unserer Fürsorgepflicht dem Menschen gegenüber Genüge tun.
Es ist nun einmal unsere Aufgabe, unsere zweibeinigen Hausgenossen zu beschützen.

Ich meine, auch wir haben etwas davon.
Denn wie oft sind sie doch für uns eine Quelle der Freude und Heiterkeit.

Dennoch sollten wir die Zügel bei Ihrer Erziehung nicht schleifen lassen. Man tut den Menschen nichts Gutes, indem man Sie allzusehr verwöhnt. Das wirkt sich auf das Zusammenleben schädlich aus und es kann passieren, daß Sie sich bald als Herr im Hause fühlen.
Diese, von uns mühsam erkämpfte Position, wollen wir doch nicht so ohne Weiteres aufgeben.


Allzu streng sollte man aber gegen seine Menschen nicht sein. Man muß ihm auch etwas Vertrauen entgegenbringen.
Denn eines wissen wir ja:
Mag der Mensch auch noch so schwierig sein, er ist gelehrig und erziehbar!

In diesem Sinne wünsche ich allen Tibbi´s bei der Erziehung der Zweibeiner eine gute Pfote und das nötige Krallenspitzengefühl.

Zeigt ihnen ruhig weiterhin Eure Zuneigung durch freudiges Schwanzwedeln!


Euer Tommy
wuff, wuff, wuff


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